Tiefdruckgebiet OTTO

niedrigster Kerndruck im europäischen Raum

  • 992 hPa
  • 23.07.2011, 06 UTC, Ostjütland/Skagerak


Einflusszeitraum in Mitteleuropa

  • 19.07.2011 bis 25.07.2011


Auswahl Spitzenwindböen über 75 km/h (Bergland, Inseln oder Küste)

  • 106 km/h - Borkum (MM)
  • 104 km/h - Hiddensee-Dornbusch, Wendelstein
  • 102 km/h - Helgoland-Oberland
  • 100 km/h - Brocken, Großer Arber
  •   94 km/h - Greifswalder Oie (MM)
  •   89 km/h - Hörnum/Sylt, Norden-Norddeich
  •   87 km/h - Großer Falkenstein, Juist-Flugplatz
  •   85 km/h - Wangerooge, Wallberg
  •   83 km/h - Baltrum, Fichtelberg, Hochwald, St. Peter-Ording
  •   81 km/h - Fehmarn-Wulfen, Hallig Gröde, Langeoog


Auswahl Spitzenwindböen über 75 km/h (Flachland)

  •   89 km/h - München-Museumsturm
  •   83 km/h - Berlin-Wannsee
  •   80 km/h - Landsberg/Lech

 

 

OTTO - Der Weg des Tiefdruckgebietes über Mitteleuropa

Da im Sommer auf der Nordhalbkugel deutlich geringere Temperaturgegensätze zwischen Pol und Äquator vorherrschen als im Winter, sind die sommerlichen Wetterlagen nicht selten von höhenströmungsarmen Verhältnissen geprägt. Das heißt, wenn sich Druckgebilde irgendwo bilden, verweilen sie dort auch einige Zeit oder verlagern sich nur langsam und bestimmen das Wetter für mehrere Tage bis hin zu einer Woche (mitunter auch noch länger) in einer ganzen Region.

OTTO war so ein Tiefdruckgebiet, das das mitteleuropäische Wetter eine knappe Woche lang beschäftigte und dazu für alles andere als sommerliches Wetter sorgte. Nachfolgend sehen Sie eine Animation der Verlagerung des Tiefs.

Zugbahn und Entwicklung des Tiefs OTTO vom 19.07.2011, 2 MESZ bis 25.07.2011, 2 MESZ
Abb. 1: Zugbahn und Entwicklung des Tiefs OTTO vom 19.07.2011, 2 MESZ bis 25.07.2011, 2 MESZ (12stündige Auflösung)

Am 19.07.2011 entstand das Tief über dem Südwesten Frankreichs und erhielt im Rahmen der Wetterpatenschaft der Freien Universität zu Berlin den Namen OTTO. Es verlagerte sich ostwärts, überquerte eher rasch den Alpenraum und Südostbayern, ehe es sich am 20.07.2011 über Tschechien nach Polen verlagerte. Über Polen verweilte das Tief im Wesentlichen zwei Tage und verlagerte sich nur noch langsam nach Norden und am 22.07.2011 nach Nordwesten in Richtung Ostsee.

Am 23.07.2011 bahnte sich das Tief seinen Weg weiter über die Ostsee und Dänemark hinweg zur südlichen Nordsee und verstärkte sich dabei zunehmend zu einem kleinen Sturmtief, wie Sie an Hand der zunehmenden und sich drängenden Isobaren (Linien gleichen Luftdrucks, weiße Linien) erkennen können. Um die Entwicklung des Tiefs sowie dessen Verlagerung besser verfolgen zu können, haben wir für die Animation diesmal einen 1-zu-1 hPa-Isobarenabstand gewählt; üblich sind in Wetterkarten 4-zu-4- oder 5-zu-5-hPa-Abstände.

Das Sturmfeld des Tiefs OTTO erfasste somit insbesondere am 23. und 24.07.2011 die Gebiete zwischen den Niederlanden und der Lüneburger Heide sowie die Gebiete nordwestlich davon. Starker Wind mit einzelnen Sturmböen war allerdings auch schon am 19. und 20.07.2011 ein Thema, als das Tief rasch über den Süden Bayerns hinweg rauschte. Am 24.07.2011 schwächte sich OTTO nur sehr langsam ab und kam von der südlichen Nordsee weiter bis nach Schleswig-Holstein und in den Süden Dänemarks voran. Am 25.07.2011 verlagerte sich das Tief dann unter weiterer Abschwächung über die Mitte in den Norden Dänemarks; am 26.07.2011 ging OTTO dann immer mehr die Puste aus.

Verwirbelte Luftmassen - Starke und ergiebige Regenfälle

Luftmassenverteilung in Mitteleuropa (schematisch) vom 19.07.2011, 14 MESZ bis 24.07.2011, 14 MESZ
Abb. 2: Luftmassenverteilung in Mitteleuropa (schematisch: rot = warm, blau = kühl) vom 19.07.2011, 14 MESZ bis 24.07.2011, 14 MESZ (24stündige Auflösung)

Luftmassenverteilung in Mitteleuropa
Abb. 3: Luftmassenverteilung in Mitteleuropa (850 hPa-Temperatur) vom 19.07.2011, 14 MESZ bis 25.07.2011, 02 MESZ (12stündige Auflösung)

An der Vorderseite des Tiefs OTTO wurde zunächst ein Schwall feuchtwarmer Subtropikluft in den Süden, Südosten und in den äußersten Osten Deutschlands transportiert. Die Ausläufer des Tiefs beendeten im Laufe des 19. und 20.07.2011 das vorerst letzte sommerlich temperierte Intermezzo in diesen Regionen. Aus Nordwesten wurde stetig kühle Meeresluft nach Deutschland geweht. Für Polen, die Baltischen Staaten, Dänemark und vor allem für Finnland und Schweden sollte sich jedoch vorderseitig des Tiefs zunehmend sommerlich warmes Wetter behaupten. Das Tief führte die Subtropikluft in weitem Bogen herum bis in unsere nordeuropäischen Nachbarländer. Allerdings sah ungetrübtes Sommerwetter auch anders aus, denn in diesen Gebieten kam es in feuchtlabiler Warmluft nicht selten zu kräftigen Schauern und Gewittern, die lokal auch unwetterartige Ausmaße annahmen.

Infrarot-Satellitenbilder mit überlagertem Niederschlagsradar
Abb. 4: Infrarot-Satellitenbilder mit überlagertem Niederschlagsradar vom 19.07.2011, 00 MESZ bis 24.07.2011, 08 MESZ (3stündige Auflösung)
 

Das Zusammenspiel der unterschiedlichen Luftmassen, in Verbindung mit dem kleinen, kräftigen Tief OTTO, löste gebietsweise starke und ergiebige Regenfälle aus, am 19.07.2011 auch noch kräftige Schauer und Gewitter (im Allgäu zum Teil mit bis zu 5 cm großen Hagelkörnern). Die Ausläufer des Tiefs schleiften am bis zum 20.07.2011 zunächst die Mitte und den Süden Deutschlands entlang, ab dem 21. und 22.07.2011 dann vornehmlich den Osten und Nordosten unseres Bundesgebietes.

24stündige Niederschlagsmengen
Messzeitraum: 19.07.2011, 8 MESZ bis 20.07.2011, 8 MESZ

  • 103,2 l/m² - Graefenberg-Kasberg (Bayern)
  •   73,9 l/m² - Aulendorf-Haslach (Baden-Württemberg)
  •   72,3 l/m² - Reimlingen (Bayern)
  •   67,2 l/m² - Fürth (Bayern)
  •   66,4 l/m² - Landberg/Lech (Bayern)
  •   64,2 l/m² - Berkheim (Baden-Württemberg)
  •   62,4 l/m² - Balderschwang (Bayern)
  •   60,3 l/m² - Kraftisried (Bayern)
  •   55,9 l/m² - Kaufbeuren (Bayern)
  •   55,5 l/m² - Nürnberg (Bayern)
  •   51,9 l/m² - Bad Waldsee (Baden-Württemberg)


Am 20.07.2011 regnete es vor allem im Osten und Süden Sachsens sowie in Südostbayern länger andauernd und ergiebig, ab dem Abend und der Nacht zum 21.07. dann auch in Südostbrandenburg. Durch die heftigen Regenfälle traten an diesen Tagen vor allem im Großraum Bamberg und Nürnberg sowie in Mittelfranken und im südlichen Oberfranken kleine Hausbäche über die Ufer und kleine Flüsse schwollen stark an; gebietsweise kam es zu Überschwemmungen. In Bug an der Schwabach, nordöstlich von Nürnberg, wurde der zweithöchste je bisher gemessene Wasserstand beobachtet.

48stündige Niederschlagssummenkarte
Abb. 5: 48stündige Niederschlagssummenkarte

Am 21.07.2011 regnete es von der Ostsee über die Oder bis zur Oberlausitz länger andauernd und ergiebig. In der Oberlausitz kam allein binnen 24 Stunden gebietsweise so viel oder noch mehr an Regen zusammen, wie sonst im ganzen Monat Juli fällt, sodass sich an kleinen Flüssen beachtliches Hochwasser einstellte. Zu nennenswerten Überschwemmungen durch über die Ufer getretene Bäche und Flüsse kam es jedoch nicht, denn durch die sehr trockene Witterung im Frühjahr waren die Wasserstände der Flüsse ohnehin niedrig und die Talsperren konnten sehr viel Wasser aufnehmen.

Am 22.07.2011 lag der Regenschwerpunkt nach wie vor über der Nordosthälfte Deutschlands. Verbreitet regnete es von Mecklenburg bis nach Brandenburg länger andauernd und gebietsweise sehr ergiebig. Am 23.07.2011 ließen die Regenfälle im Nordosten endlich nach und zogen zur Ostsee ab.

48stündige Niederschlagssummenkarte
Abb. 6: 48stündige Niederschlagssummenkarte


72stündige Niederschlagsmengen
Messzeitraum: 20.07.2011, 8 MESZ bis 23.07.2011, 8 MESZ

  • 138,8 l/m² - Kubschütz, Kr. Bautzen (Sachsen)
  •                      davon 98,3 l/m² in 24 Stunden bzw. 131,4 l/m² in 48 Stunden
  • 132,6 l/m² - Ebersbach/Oberlausitz (Sachsen)
  •                      davon 94,9 l/m² in 24 Stunden bzw. 127,9 l/m² in 48 Stunden
  • 131,4 l/m² - Warnemünde (Mecklenburg-Vorpommern)
  •                      davon 111,4 l/m² in 24 Stunden
  • 127,2 l/m² - Loebau (Sachsen)
  •                      davon 81,1 l/m² in 24 Stunden bzw. 120,4 l/m² in 48 Stunden
  • 120,0 l/m² - Görlitz-Flugplatz (Sachsen)
  •                      davon 62,4 l/m² in 24 Stunden bzw. 111,4 l/m² in 48 Stunden
  • 118,1 l/m² - Frankfurt (Oder) (Brandenburg)
  •                      davon 85,1 l/m² in 24 Stunden
  • 117,7 l/m² - Ribnitz-Damgarten (Mecklenburg-Vorpommern)
  •                      davon 83,1 l/m² in 24 Stunden
  • 117,2 l/m² - Bad Muskau (Sachsen)
  •                      davon 59,9 l/m² in 24 Stunden bzw. 104,7 l/m² in 48 Stunden
  • 116,5 l/m² - Sohland/Spree (Sachsen)
  •                      davon 80,1 l/m² in 24 Stunden bzw. 109,5 l/m² in 48 Stunden
  • 114,6 l/m² - Barth (Mecklenburg-Vorpommern)
  •                      davon 78,8 l/m² in 24 Stunden
  • 109,2 l/m² - Coschen (Brandenburg)
  •                      davon 87,7 l/m² in 48 Stunden
  • 108,3 l/m² - Buckow/Märkische Schweiz (Brandenburg)
  •                      davon 75,9 l/m² in 48 Stunden
  • 103,4 l/m² - Müncheberg (Brandenburg)
  •                      davon 70,3 l/m² in 48 Stunden
  • 101,5 l/m² - Weißenberg (Sachsen)
  •                      davon 59,4 l/m² in 24 Stunden bzw. 93,8 l/m² in 48 Stunden
  • 101,0 l/m² - Guben (Brandenburg)
  •                      davon 85,6 l/m² in 48 Stunden
  •   99,5 l/m² - Zinnowitz/Usedom (Mecklenburg-Vorpommern)
  •                      davon 84,2 l/m² in 48 Stunden
  •   97,4 l/m² - Steinhagen-Negast (Mecklenburg-Vorpommern)
  •                      davon 52,4 l/m² in 24 Stunden
  •   94,4 l/m² - Spitzingsee (Bayern)
  •                      davon 81,2 l/m² in 48 Stunden
  •   93,0 l/m² - Trebendorf (Sachsen)
  •                      davon 74,6 l/m² in 48 Stunden
  •   92,4 l/m² - Heiligendamm (Mecklenburg-Vorpommern)
  •                      davon 77,0 l/m² in 24 Stunden
  •   92,0 l/m² - Rostock (Mecklenburg-Vorpommern)
  •                      davon 70,9 l/m² in 24 Stunden

 

Zum Vergleich: 50 bis 70 l/m² kommen zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen (Erzgebirge außen vor gelassen) normalerweise im GANZEN Monat Juli zusammen!

In der Nacht zum 24.07.2011 und tagsüber regnete es im Bereich der um das Tief herumgeführten Okklusion vorzugsweise im Westen Deutschlands länger anhaltend, gebietsweise auch ergiebig. Warnrelevante Regenmengen kamen jedoch nur noch in den nordwestlichen Niederlanden zusammen. Im Laufe des 24.07.2011 schwächten sich die Regenfälle allmählich ab und das Tiefdruckgebiet OTTO verlagerte sich, ebenfalls unter Abschwächung, wieder zurück in Richtung Dänemark. Nichtsdestotrotz wurde tagsüber im Westen bei Tageshöchsttemperaturen von nur 12 bis 15 Grad der absolute Temperatur-Tiefstpunkt dieser Wetterlage erreicht.

 

Diese Zusammenstellung wurde von Stefan Laps, Meteorologe der Unwetterzentrale, im Juli 2011 erstellt.

 

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