Orkantief JOACHIM

niedrigster Kerndruck im europäischen Raum

  • 963,8 hPa
  • 16.12.2011, 13-15 UTC, Lügde-Pänbruch, Braunschweig, Wolfsburg-Autostadt


Einflusszeitraum in Mitteleuropa

  • 16.12.2011 bis 18.12.2011


Auswahl Spitzenwindböen über 75 km/h (Bergland, Inseln oder Küste)

  • 183 km/h - Zugspitze
  • 176 km/h - Wendelstein
  • 168 km/h - Feldberg/Schwarzwald
  • 167 km/h - Belchen/Schwarzwald
  • 144 km/h - Brocken
  • 143 km/h - Großer Kornberg, Nebelhorn
  • 139 km/h - Wallberg
  • 137 km/h - Hohentwiel, Weinbiet
  • 135 km/h - Hornisgrinde
  • 130 km/h - Bühlerhöhe


Auswahl Spitzenwindböen über 75 km/h (Flachland)

  • 137 km/h - Küssaburg
  • 122 km/h - Benediktbeuern (Kloster), Isny, Kressbronn
  • 118 km/h - Chieming
  • 117 km/h - Dollenberg
  • 115 km/h - Argenbühl, Eschlkam
  • 113 km/h - Seelbach (Ortenaukreis)
  • 111 km/h - Dornstetten, Uhldingen-Mühlhofen
  • 109 km/h - Freiburg-Munzingen
  • 107 km/h - Konstanz-Südkurier, Lindau-Bad Schachen
  • 106 km/h - Eppendorf/Sachsen, Riesa



Der Weg des Orkantiefs JOACHIM

Fronten- und Isobarenkarten
Abb. 1: Fronten- und Isobarenkarten vom 15., 16. und 17.12.2011, jeweils mittags 13 Uhr

Tief JOACHIM entstand auf dem Atlantik und verstärkte sich über Westeuropa zu einem Orkantief. An seiner Vorderseite führte das Tief sehr milde Atlantikluft mit nahezu subtropischem Charakter mit sich, während an der Rückseite kalte Nordatlantikluft bereitstand. Am 16.12.2011 zog das Tief von Westen her über Nordrhein-Westfalen und die Mitte Deutschlands hinweg nach Nordosten. Die Luftdruckgegensätze waren auf kleinem Raum stark ausgeprägt, wodurch es im mittleren Frankreich, in der Schweiz, in der Süd- und Südosthälfte Deutschlands sowie in Österreich zu schweren Sturmböen, orkanartigen Böen und einzelnen Orkanböen bis ins Flachland kam.

Zugbahn und Entwicklung des Tiefs an Hand des Luftdrucks
Abb. 2: Zugbahn und Entwicklung des Tiefs an Hand des Luftdrucks vom 15.12.2011, 19 Uhr MEZ bis 17.12.2011, 7 Uhr MEZ (3stündige Termine)

Eine Besonderheit war der niedrige Luftdruck, mit dem das Tief Deutschland überquerte. So sank der Luftdruck am 16.12.2011 vormittags und mittags in Nordrhein-Westfalen unter 970 hPa. Das Tiefzentrum zog ziemlich genau über das Ruhrgebiet und den Haarstrang hinweg nach Ostwestfalen, wo sogar Werte von 965 hPa und darunter gemessen wurden. Um 14 Uhr betrug der niedrigste Wert in Nordrhein-Westfalen 963,8 hPa in Lügde-Pänbruch. Mit 963,8 hPa war auch der Höhepunkt der Entwicklung des Tiefs erreicht. Mit weiterer Verlagerung des Tiefs konnten in Braunschweig und in Wolfsburg-Autostadt noch selbige Werte registriert werden.

Tief JOACHIM brach sogar ein paar Dezember-Luftdruckrekorde, wie zum Beispiel in Berlin-Dahlem. Am 16.12.1962 wurde hier der bisher niedrigste Dezember-Wert von 970,2 hPa gemessen. Mit einem Stundenwert von 966,3 hPa wurde damit ein neuer Dezember-Rekord aufgestellt. Mit JOACHIM konnte allerdings kein deutschlandweiter Allzeitrekord aufgestellt werden. Die 955,4 hPa, die am 27.11.1983 in Bremen gemessen wurden, wurden bis dato nicht unterboten.

3stündige Luftdruckentwicklung
Abb. 3: 3stündige Luftdruckentwicklung vom 15.12.2011, 22 Uhr MEZ bis 17.12.2011, 07 Uhr MEZ in Zehntel hPa

Eine weitere Besonderheit war der rasante Druckfall und der schnelle Druckanstieg während der Passage des Tiefs. Zwei Faktoren beeinflussten den rasanten Luftdruckverlauf. Zum einen verlagerte sich das Tief recht schnell von West nach Ost/Nordost über West- und Mitteleuropa hinweg, zum anderen verstärkte sich das Tief noch, bis es den Westen und die Mitte Deutschlands erfasste, sprich der Kerndruck sank zudem weiter ab.

Diese Faktoren führten dazu, dass der Luftdruck binnen 3 Stunden zum Teil um bis zu 14,9 hPa wie z.B. im französischen Lille absinken konnte. Mit 14,0 hPa Druckfall am Morgen des 16.12.2011 in 3 Stunden wurde in Aachen-Orsbach der stärkste deutschlandweite Druckfall registriert. Der rückseitige Druckanstieg war dagegen weniger spektakulär. Meist wurden Druckanstiege von 5 bis 7 hPa in 3 Stunden beobachtet. Lediglich nachmittags wurden in Teilen Frankreichs und der Schweiz hinter der Kaltfront des Tiefs bis zu 11 hPa in 3 Stunden gemessen. Zum Vergleich: Bei Orkantief LOTHAR im am 26.12.1999 stieg der Luftdruck gebietsweise um über 20 hPa in 3 Stunden an.  

Luftmassenwechsel am 16.12.2011
Abb. 4: Luftmassenwechsel am 16.12.2011

Eine dritte Besonderheit, die aus der Sphäre des Tiefs herrührt, waren die Luftmassenwechsel bzw. die Luftmassenverteilung in Deutschland und die daraus resultierenden unterschiedlichen Aggregatzustände der Niederschläge im Bereich des Frontensystems. Mit der Warmfront des Tiefs wurde vorübergehend sehr milde Luft beinahe subtropischen Charakters in die Südhälfte des Landes geführt - zu erkennen an den "warmen" Farben grün und gelb in der obigen Animation. Mit Annäherung der Warmfront gab es in den Früh- und Morgenstunden des 16.12.2011 in den westlichen, zentralen und östlichen Mittelgebirgen zunächst häufig kräftige Schneefälle, ehe mit der milden Luft die Niederschläge zumindest vorübergehend zum Teil bis in die Gipfellagen in Schneeregen oder Regen übergingen.

Das nördliche Münsterland, der Teutoburger Wald, das nördliche Weserbergland und die Lüneburger Heide sowie die Altmark und die Mecklenburgische Seenplatte verblieben unmittelbar an der Nordseite des Tiefkerns, somit auf der kalten Seite des Tiefs (zu erkennen an den blauen und dunkelblauen Farbtönen). Die dort aufgetretenen, teils kräftigen Niederschläge fielen vorübergehend als Schnee bis ins Flachland und brachten gebietsweise ein paar Zentimeter Neuschnee sowie Glätte durch Schnee und Schneematsch. Mit Abzug des Tiefkerns und dem zugehörigen Tiefausläufer gingen die Niederschläge in den genannten Gebieten nach und nach wieder in Schneeregen und Regen über. Anders dagegen in den westlichen und zentralen Mittelgebirgen: Hier wurde die milde Luft wieder durch kältere abgelöst und Niederschläge gingen von Regen bis gegen 300 Meter wieder in Schnee über.


Schäden

Neben entwurzelter Bäume, verspäteten oder ausgefallenen Zügen gab es auch gebietsweise Verkehrschaos mit kilometerlangen Staus durch Schneefälle. Die A4, A45 und A61 mussten zeitweise gesperrt werden. An einigen Flughäfen wie z.B. in Saarbrücken und Frankfurt gab es Verspätungen und Flugausfälle. Im Südwesten des Landes wurden vorsorglich einige Schulen geschlossen. Allgemein wurden im Süden und Osten vorsorglich Weihnachtsmärkte geschlossen. Im Hunsrück gab es örtlich Überschwemmungen durch starke Regenfälle.


Diese Zusammenstellung wurde von Stefan Laps, Meteorologe der MeteoGroup Unwetterzentrale, im Dezember 2011 erstellt.

 

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