Orkantief LOTTE - 31.12.2006 bis 02.01.2007 (Tief Nr. 24)

Wetterlage
Bodendruckanalyse
Tief LOTTE entstand am 30.12. im Zuge einer strammen Westströmung über dem Atlantik und hatte sich zur Nacht auf den 31.12. zu einem Sturmwirbel entwickelt. Orkantief KARLA (Tief Nr. 23) beeinflusste zu dieser Zeit das Wetter in Deutschland mit Sturm- und Orkanböen.

Bodendruckanalyse
Durch die signifikanten Temperaturgegensätze zwischen Tiefvorder- und -rückseite verstärkte sich LOTTE bis zum Mittag des 31.12. auf ihrem Weg nördlich an Irland vorbei zu einem Orkantief mit einem markanten und kleinräumigen Druckgradienten sowie korrespondierendem Orkanfeld. Das steuernde Tief HENRIETTE schwächte sich westnordwestlich Islands allmählich ab, da keine Energiezufuhr (KLA) mehr stattfand und auch die Vorderseite des Tiefs durch die Passage LOTTEs allmählich abkühlte.

Bodendruckanalyse
Bis zur Neujahrsnacht verlagerte sich das Orkantief über Schottland hinweg zur nördlichen Nordsee. In Deutschland wehte neuerlich stürmischer Wind mit teils schweren Sturmböen vor allem im Küstenumfeld der Nordsee und auf den Bergen. Südlich Irlands ist ein markanter Isobarenknick zu erkennen, welcher auf eine weitere Wellenstörung mit kleinräumiger Druckgradient- und Sturmfeldverstärkung schließen lässt.

Bodendruckanalyse
Bis zum Mittag zog LOTTE unter langsamer Abschwächung nach Südskandinavien weiter. Die o.e. Wellenstörung lag zu dem Zeitpunkt bereits über dem Westen Deutschlands und überquerte bis zum Abend die Mitte Deutschlands nach Osten. Im Rhein-Main-Gebiet kam es in Schauer- und Gewitternähe teils zu orkanartigen Windböen.

Ausführliche Analyse der Wetterlage
Ende des Jahres 2006 stellte sich in Mitteleuropa eine zonale Westströmung ein. Dabei lag ein steuerndes, umfangreiches und kräftiges Tiefdruckgebiet, HENRIETTE, westlich von Island mit einem Kerndruck zwischen 950 und 960 hPa und lenkte einige Randtiefs unter Verstärkung vom Atlantik über die Britischen Inseln und die Nordsee hinweg nach Nordosten. Sturmtief JESSICA war das erste Tief, das Mitteleuropa am 29. und 30.12. aber keinen gravierenden Sturm brachte. Tief KARLA (Tief Nr. 23) dagegen entwickelte sich am Abend des 30.12. und zu Silvester zu einem kleinräumigen, aber sehr intensiven Randtief mit einem niedrigsten Kerndruck von gerade einmal 991 hPa, aber einem markanten Orkanfeld, das von den ostfriesischen Inseln über Schleswig-Holstein und die Ostsee hinweg für Orkanböen von Tempo 120 bis 176 km/h sorgte.

LOTTE ist das dritte Randtief, das im Zuge dieser Westströmung am 30.12. aus einer Wellenstörung heraus über dem Atlantik entstand. Das steuernde Tief HENRIETTE hatte reichlich polare Kaltluft angesammelt und über dem Ostatlantik sowie dem westlichen Mittelmeer lag Warmluft subtropischen Ursprungs. Die Genesebedingungen für ein neues Sturmtief waren durch die großen Temperaturdifferenzen ideal und so entwickelte sich das Tief zur Nacht auf den 31.12. zu einem Sturmwirbel mit einem Kerndruck von 986 hPa. Bis zum Mittag vertiefte sich der Kern auf 976 hPa. Die starke Höhenströmung transportierte das Tief bis dahin rasch vom Ostatlantik nördlich an Irland vorbei. Das markante Sturmfeld im Trogbereich führte am Nachmittag des 31.12. von Irland bis ins mittlere Vereinte Königreich zu schweren Sturm, teilweise auch zu Orkanböen. Die stärkste Windbö wurde bis zum Abend in Malin Head, an der Nordküste Irlands mit 148 km/h registriert. Im Flachland Englands wurden in einem schmalen Streifen häufig orkanartige Böen um 110 km/h erreicht. Am Silvesterabend frischte der Wind auf der Vorderseite des Tiefs auch in Mitteleuropa wieder kräftig auf und erreichte zunächst vorrangig auf den Mittelgebirgsgipfeln sowie an der Nordseeküste Böen in Sturmstärke. Die Warmfront erreichte den Westen Deutschlands im Laufe des Abends mit einem kompakten und schnell durchziehenden und vor allem im Westen und Norden teilweise unterbrochenen Regengebiet. Vor allem im Südwesten, in der Mitte und im Osten des Landes fiel jedoch flächendeckend mäßiger Regen, der in Mittelgebirgsnähe durch klassischen Südwest- bis Weststau zu höheren Regensummen führte.

In der Nacht zum 1.1. zog von Westen her die Kaltfront mit einem schmalen Band schauerartig verstärkten und gebietsweise auch gewittrig durchsetzten Regens heran. In ihrem Bereich traten durch den vertikalen Impulstransport verbreitet Sturmböen um 80 km/h, teils auch schwere Sturmböen zwischen 90 und 100 km/h bis ins Flachland auf. Im Bergland und an der Nordseeküste erreichten die Böen zum Teil wieder Orkanstärke. Die Niederschlagsmengen lagen in Gewitternähe meist zwischen 6 und 11 l/m² in der Stunde, in Masserberg in Thüringen kamen 13,2 l/m² in einer Stunde zusammen. Der o.e. Mittelgebirgsstau setzte sich im Warmfrontbereich weiter fort: Insbesondere im Schwarzwald kamen binnen weniger Stunden enorme Regenmengen zusammen: Südlich des Feldberges registrierte die MeteoGroup-Messstation an der Krunkelbachhütte eine 12stündige Regensumme bis um 7 Uhr von 54 l/m², dicht gefolgt von der Station Feldberg-Feldberger Hof mit 45 l/m² und Todtmoos/Schwarzwald mit 37 l/m². Auch im mittleren Schwarzwald regnete es verbreitet mit Mengen von 20 bis 30 l/m². Die Kaltfront schwächte sich auf ihrem Weg nach Süden hin im Laufe der Vormittagsstunden etwas ab. In Mittelgebirgsnähe regnete es kräftig weiter. Bis zum Mittag um 13 Uhr kamen in nur 6stündigem Zeitraum an der Krunkelbachhütte noch einmal 29 l/m² zusammen, d.h. binnen 12 bis 18 Stunden kamen hier sage und schreibe 83 Liter Regenwasser pro Quadratmeter vom Himmel. Es wurden außerdem weiterhin verbreitet Sturmböen erreicht, in Wertheim durch ein Gewitter eine orkanartige Bö von 109 km/h, Germersheim kam sogar auf einen Spitzenwert von 117 km/h.

Ab den Mittagsstunden wirkte sich rückseitig der Kaltfront eine Welle mit einem neuen teilweise wieder von Schauern und Gewittern durchsetzten Regengebiet und einer Druckgradientverstärkung von Westen her auf Deutschland aus. Jene überquerte das Land bis zum Abend rasch über die Mitte hinweg nach Osten. Durch die Druckgradientzunahme und den eingelagerten konvektiven Umlagerungen wurden die Gebiete zwischen Hohem Venn, Rhön und Fichtelgebirge und südlich davon noch einmal von kräftigem Wind betroffen, örtlich sogar noch etwas stärker, als mit Passage der Kaltfront. Die registrierten Böen beliefen sich gebietsweise auf Werte zwischen 90 und 100 km/h im Flachland. Die Kaltfront des Tiefs LOTTE schleifte den Süden Deutschlands entlang und führte im Hochschwarzwald sowie am Alpenrand durch einen klassischen Kanalisierungseffekt zu Orkanböen von zum Teil deutlich über 130 km/h. An den Alpen sowie am Bayerischen Wald und Böhmerwald wirkten sich bis zum Abend ebenfalls Staueffekte des Kaltfront-Niederschlages mit 12stündigen Mengen von gebietsweise 15 bis 29 l/m² aus.

Am späten Abend des 1.1. zog die Welle unter Abschwächung nach Polen ab und das Wetter beruhigte sich in weiten Landesteilen. Lediglich an der Nordseeküste und auf einigen ostdeutschen Mittelgebirgen wurden noch Sturmböen gemessen.

Niederschlagsmengen über 40 l/m² in 30stündigem Zeitraum
von 31.12. 18 Uhr bis 2.1. 1 Uhr

Quellen der Daten: Messnetz MeteoGroup, DWD, Auswahl

  • 84,3 l/m² - Krunkelbachhütte (1294 m, Baden-Württemberg)
  • 67,7 l/m² - Schönau/Schwarzwald (542 m, Baden-Württemberg)
  • 61,8 l/m² - Feldberg-Feldberger Hof (1281 m, Baden-Württemberg)
  • 55,0 l/m² - Höchenschwand (1008 m, Baden-Württemberg)
  • 53,0 l/m² - Todtmoos/Schwarzwald (825 m, Baden-Württemberg)
  • 47,7 l/m² - Freudenstadt-Marktplatz (730 m, Baden-Württemberg)
  • 42,4 l/m² - Saldenburg-Entschenreuth (456 m, Bayern)
  • 41,9 l/m² - Gersbach/Schwarzwald (913 m, Baden-Württemberg)
  • 41,0 l/m² - Oberstaufen/Allgäu (801 m, Bayern)
  • 40,5 l/m² - Oberreute (Bayern)


Infrarot-Satellitenbild
Infrarot-Satellitenbild
Am 1.1. um 1 Uhr MEZ befand sich das Zentrum des Orkanwirbels LOTTE über der nördlichen Nordsee mit einem niedrigsten Kerndruck von 969 hPa. Seine Kaltfront und eine vorauslaufende Welle führten in weiten Teilen Deutschlands zu schauerartig verstärkten Regenfällen, die im Stau der Mittelgebirge auch länger anhielten und ergiebig waren.

Infrarot-Satellitenbild
Am Morgen des 1.1. um 7 Uhr MEZ hat die Kaltfront die Nordwesthälfte Deutschlands überquert. Dahinter fließt mit Schauerstaffeln Höhenkaltluft heran. Über dem Süden Englands befindet sich eine kleine Wellenstörung, westlich Irlands eine weitere und dazu größere.

Infrarot-Satellitenbild
Am Mittag um 13 Uhr MEZ liegt das Zentrum des Tiefs über Südskandinavien mit 973 hPa Zentraldruck. Hinter der Kaltfront zog eine Konvergenzlinie (die o.e. kleine Welle) mit Schauern und einzelnen Gewittern nach Deutschland. In ihrem Bereich traten im Raum Hohes Venn/Eifel und später weiter in Richtung Hessen schwere Sturmböen von bis zu 100 km/h im Flachland auf.

Niederschlagsradarfilm
Niederschlagsradarfilm
Dieser Radarloop vom 31.12.2006 19 Uhr MEZ bis 01.01.2007 22 Uhr MEZ zeigt das Verhalten der Ausläufer des Tiefs LOTTE sowie die Welle auf der Rückseite der Kaltfront etwa ab den Vormittags-/Mittagsstunden des 1.1.. Eindrucksvoll sind neben den konvektiven Umlagerungen die Staueffekte an den Mittelgebirgen zu verfolgen.

Spitzenböen (ab 117 km/h) - 31.12. 18 Uhr bis 2.1. 3 Uhr
Quellen der Daten: Messnetze MeteoGroup, DWD

  • 156 km/h - Wendelstein
  • 152 km/h - Zugspitze
  • 148 km/h - CH: Niesen-Kulm
  • 146 km/h - Wallberg; CH: Crap Sogn Gion
  • 144 km/h - Feldberg/Schwarzwald
  • 137 km/h - A: Feuerkogel
  • 141 km/h - Brocken, Nebelhorn; CH: Crap Masegn
  • 133 km/h - CH: Vorab-Talstation
  • 130 km/h - Fichtelberg, Leuchtturm Alte Weser; CH: Les Diablerets
  • 126 km/h - Großer Arber; CH: Chasseral
  • 124 km/h - Belchen/Schwarzwald
  • 122 km/h - Hohenpeissenberg, Weinbiet; CH: Ebenalp, La Dole
  • 120 km/h - Großer Kornberg
  • 119 km/h - CH: Pilatus, Säntis
  • 117 km/h - Germersheim, Schauinsland


Diese Analyse wurde von Manfred Spatzierer und Stefan Laps, Meteorologen der Unwetterzentralen Deutschland und Österreich, im Januar 2007 erstellt.

ANZEIGE