Orkantief LANCELOT - 20., 22.01.2007 (Tief Nr. 34)

Wetterlage
Bodendruckanalyse
Tief LANCELOT entstand am 19.1. aus einer Wellenstörung über dem Atlantik heraus. Zunächst handelt es sich um eine harmlose Störung, die noch nicht einmal einen abgeschlossenen Tiefkern aufweist.

Bodendruckanalyse
30 Stunden später hatte sich LANCELOT als kleinräumiges Orkantief entwickelt und lag mit stärkster Entwicklung vor der norwegischen Küste. Auf einer Öl-Plattform auf der freien Nordsee wurden Orkanböen um 140 km/h gemessen.

Bodendruckanalyse
Zum 21.1. hatte sich LANCELOT wieder deutlich abgeschwächt. Ein markanter Kurzwellentrog überquerte jedoch mit schweren Sturmböen und orkanartigen Böen den Westen, die Mitte und den Osten Deutschlands. Auf seiner Rückseite wurde labile Höhenkaltluft advehiert.

Ausführliche Analyse der Wetterlage
Nachdem Orkantief KYRILL (Tief Nr. 33) am 18.1. Mitteleuropa überquerte und schwere Schäden verursachte, wanderte es am 19.1. über das Baltikum hinweg nach Osten und schwächte sich dabei zu einem vergleichsweise harmlosen Sturmtief ab. Über dem Atlantik entstand jedoch aus einer Wellenstörung heraus ein neues Randtief, LANCELOT, das bis zum Abend des 19.1. mit einem Kerndruck von 994 hPa das Seegebiet nordwestlich Irlands erreichte. In der Nacht auf den 20.1. überquerte das Tief unter weiterer Verstärkung Schottland nordostwärts und lag am Morgen mit einem Kerndruck von 976 hPa über der Nordsee westlich Norwegens. In der Nähe des Tiefzentrums hatte sich im Warmfrontbereich einerseits und auf der Rückseite des Tiefs andererseits ein gebietsweise kräftiger Druckgradient eingestellt. In der Nacht überquerte die Warmfront von Tief LANCELOT Deutschland von West nach Ost mit neuem Regen. Im Warmsektor des Tiefs frischte der Südwestwind in Mitteleuropa wieder stärker auf, Sturmböen beschränkten sich jedoch auf allenfalls auf die Nordseeregion und einige exponierte Mittelgebirge. Anders sah es hingegen in Nordirland und im zentralen England aus. Im Kaltfrontbereich traten hier schwere Sturmböen, vereinzelt auch orkanartige Böen bis ins Flachland auf.

Bis zum Mittag des 20.1. hatte sich LANCELOT zu einem kleinräumigen Orkan vor der norwegischen Küste entwickelt und wies einen Kerndruck von 960 hPa auf. Das Orkanfeld war aber lediglich kleinräumig um den Tiefkern herum organisiert. Auf der freien Nordsee registrierte die Ekofisk Oil Platform eine lokale Orkanbö von 141 km/h. Auch in Mitteleuropa nahm der Druckgradient allmählich zu und die Kaltfront des Tiefs überquerte mit einem schmalen Band schauerartig verstärkten Regens den Nordwesten Deutschlands. Einerseits mischte der vertikale Impulstransport mit der Kaltfront den Höhenwind bis ins Flachland und andererseits labilisierte der Sonnenstand zusätzlich die Luftschichten. Verbreitet kam es mit Passage der Kaltfront zu stürmischen Böen oder auch zu Sturmböen bis ins Flachland. Auf einigen exponierten Bergen und über der Nordsee gab es einzelne Orkanböen. Am Abend lag dann ein ausgedehntes Sturmfeld über Norddeutschland, Dänemark sowie über der Nordsee. Der Tiefkern hatte sich wieder etwas aufgefüllt und wies nur noch einen Kerndruck von 967 hPa auf. Rückseitig der Kaltfront wurde jedoch hochreichend kalte und labile Luft ins nördliche Mitteleuropa geführt. Am Abend und in der Nacht gab es vornehmlich über der Nordsee und im Oberharz einzelne orkanartige Böen, ansonsten beruhigte sich der Wind tageszeitlich bedingt.

In der Nacht zum 21.1. entwickelte sich durch die massive KLA über den Britischen Inseln eine Konvergenzlinie mit einer deutlichen Druckgradientverstärkung, welche mit teils kräftigen Schauern einherging und im mittleren und südlichen England sowie in Nordfrankreich und an der belgischen Küste teils schwere Sturmböen auslöste. Vorderseitig der Konvergenz sank der Druck mit bis zu 5,2 hPa in 3 Stunden, rückseitig stieg er rasch mit bis zu 7,6 hPa in selbiger Zeitspanne wieder an. An der nordfranzösischen Küste erreichte die Station Boulogne sogar eine Orkanbö von 130 km/h. Zum Morgen hin wurden auch an der belgischen Küste Orkanböen bis 122 km/h gemessen. In Deutschland nahm der Wind mit Herannahen der Konvergenzlinie ebenfalls zu. Tief LANCELOT war bis zu diesem Zeitpunkt mit einem Kerndruck von 977 hPa und einem breit gestreckten Zentrum über Südschweden angelangt. Mit der Konvergenz erreichten dann auch kräftige Schauer den Westen, am Mittag auch die Mitte und den Osten Deutschlands mit stürmisch auffrischendem Wind. Mit diesem Kurzwellentrog wurden im 500 hPa-Niveau -33 bis -36°C-kalte und labil geschichtete Luft herangeführt. Verbreitet wurden bei der Passage schwere Sturmböen bis ins Flachland gemessen, in ungünstigen Lagen vereinzelt sogar orkanartige Böen. Am Mittag und Nachmittag wurde der Höhepunkt des Sturmfeldes über dem Osten Deutschlands erreicht. Begünstigt durch orographische Effekte wurden in Schauernähe vereinzelt sogar Orkanböen wie im Kabelsketal sowie in Chemnitz erreicht.

Zum Abend des 21.1. hin schwächte sich der Wind von Westen her deutlich ab. Einzelne, jedoch deutlich schwächer ausgeprägte Kurzwellentröge überquerten bis zum 22.1. vor allem den Norden Deutschlands und führten allenfalls über der freien Nord- und Ostsee sowie über einigen Bergen zu Sturmböen, vereinzelt auch noch zu schweren Sturmböen. Die advehierten Luftmassen blieben durchweg labil geschichtet und erreichten im 500 hPa-Niveau Werte von bis zu -37°C.

Am 21. und 22.1. stellte sich die Großwetterlage in Europa dann allmählich um. Anstatt sich ständig neue Tiefdruckgebiete von Neufundland oder vom Atlantik aus unter Verstärkung ihre Wege in Richtung West- und Mitteleuropa bahnten, wie in den vorangehenden drei bis vier Wochen geschehen, konnte sich nun ein kräftiges Hochdruckgebiet über dem Nordatlantik im Gebiet westlich Islands durchsetzen und für eine zunehmend kalte Nordwest- bis Nordströmung in Mitteleuropa sorgen. In den Folgetagen gab es den ersten mäßigen Frost und die ersten kräftigen Schneefälle in Süddeutschland dieser Saison.

Satellitenbilder
Infrarot-Satellitenbild
Am 20.1. mittags um 13 Uhr MEZ liegt das kleinräumige Orkantief LANCELOT mit seinem Zentrum vor der norwegischen Küste. Die zugehörige Kaltfront hat den Nordwesten Deutschlands erreicht. Auffällig sind die hochreichenden und auf kräftige konvektive Umlagerungen hindeutenden Kurzwellentröge nordwestlich und westlich der Britischen Inseln.

VIS-Satellitenbild
Die gleiche Situation in Mitteleuropa wie im Bild oben nur aus dem sichtbaren Kanal des Satelliten.

Infrarot-Satellitenbild
Der erste und heftigste Kurzwellentrog überquerte am Mittag des 21.1. um 13 Uhr MEZ die Nordhälfte Deutschlands. Hierbei wurden verbreitet schwere Sturmböen, teils auch orkanartige Böen bis ins Flachland erreicht.

VIS-Satellitenbild
Labile Höhenkaltluft mit reichlich Schauerbewölkung machte sich am Mittag des 21.1. um 13 Uhr MEZ über Mitteleuropa bemerkbar gemacht.

Spitzenböen (ab 104 km/h) - 20.1. 1 Uhr bis 22.1. 23 Uhr
Quellen der Daten: Messnetze MeteoGroup, DWD

  • 160 km/h - Brocken
  • 137 km/h - Pellworm
  • 133 km/h - Fichtelberg
  • 131 km/h - Kabelsketal
  • 130 km/h - Hiddensee-Dornbusch, Zugspitze
  • 122 km/h - Hörnum/Sylt, List/Sylt-Ellenbogen
  • 120 km/h - Altenberg/Erzgebirge, Helgoland-Oberland, Hochwald
  • 115 km/h - Chemnitz, Feldberg/Schwarzwald, Kap Arkona/Rügen
  • 113 km/h - Großer Kornberg, Oderwitz
  • 111 km/h - Borkum (MM), Doberlug-Kirchhain, Wendelstein
  • 109 km/h - Ansbach, Neuharlingersiel
  • 107 km/h - Amrum, Boltenhagen, Lichtenhain-Mittelndorf
  • 106 km/h - Oerlinghausen
  • 104 km/h - Oschatz, Osterholz-Scharmbeck, Westerhever


Diese Analyse wurde von Manfred Spatzierer und Stefan Laps, Meteorologen der Unwetterzentralen Deutschland und Österreich, im Januar 2007 erstellt.

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