Orkantief XAVER – ein weiterer schwerer Wintersturm der letzten Jahrzehnte

Am 05. und 06. Dezember 2013 zog das Tief XAVER unter Entwicklung zu einem ausgeprägten Orkantief vom Raum Island über das Nordmeer nach Skandinavien und weiter in Richtung Osteuropa. Das zugehörige Sturmfeld erfasste vor allem Schottland, die Niederlande, Norddeutschland, Dänemark, Südschweden und Polen. Anders als der Orkan CHRISTIAN Ende Oktober 2013 zog das Tief XAVER relativ langsam und der Sturm hielt sehr lange an. Neben den Schäden durch den Wind gab es an der deutschen Nordseeküste schwere bis sehr schwere Sturmfluten. In Hamburg wurde der bisher zweithöchste Wasserstand seit Aufzeichnungsbeginn registriert.


Entwicklung und Verlauf

Geburt von Orkantief XAVER
Abb. 1: Die Geburt von Orkantief XAVER südwestlich von Grönland bis hin zur Reife in Russland. Animation der UK MetOffice-Bodendruckanalysekarten von Mittwoch, 04. Dezember 2013, 7 Uhr bis Samstag, 07. Dezember 2013, 13 Uhr MEZ

Tief XAVER löste sich am Mittwoch, den 04. Dezember 2013 als Wellenstörung südwestlich von Grönland von einem umfangreichen Tief über dem Nordatlantik ab. Es zog bis zum Mittwochabend ins Seegebiet südlich von Island und entwickelte sich schnell zu einem ausgewachsenen und eigenständigen Tief. Am Donnerstagmorgen (05. Dezember) kam es bereits vor der südnorwegischen Küste an und hatte sich zu einem Orkantief entwickelt. Danach überquerte XAVER mit seinem Zentrum Südnorwegen und Südschweden und zog weiter über die Ostsee nach Osteuropa, wo es sich deutlich abschwächte.

Zugbahn
Abb. 2: Lage des sich entwickelnden Tiefs am Mittwoch, 04. Dezember 2013, 21 Uhr MEZ mit der erwarteten Zugbahn. Ein noch recht unscheinbarer Wolkenbatzen südwestlich von Island.

Satellitenbild
Abb. 3: Das Infrarot-Satellitenbild von Donnerstag, 05. Dezember 2013, 08 Uhr MEZ zeigt XAVER mit seinem Zentrum über der nördlichen Nordsee.

10m-Modell-Mittelwind
Abb. 4: Animation des 10 Meter-Modell-Mittelwindes samt Bodendruckentwicklung von Mittwoch, 04. Dezember 2013, 19 Uhr bis Samstag, 07. Dezember 2013, 10 Uhr MEZ


Messwerte

Als erste Landmasse war in der Nacht zum Donnerstag (05. Dezember 2013) und am Donnerstagmorgen Schottland betroffen, wo um 7 Uhr MEZ einzelne Wetterstationen Windgeschwindigkeiten von bis zu 99 Knoten (183 km/h) meldeten und damit die höchsten für diese Stationen messbaren Werte. Eine Stunde zuvor hatte die Station Aonach Mor (1130 Meter Höhe), die auch für höhere Werte ausgelegt ist, schon einen Spitzenwert von 228 km/h gemessen.

Spitzenböen
Abb. 5: 1stündige Spitzenböen Schottland bis Donnerstag, 05. Dezember 2013, 08 Uhr MEZ

Bereits am Donnerstagmorgen frischte der Südwestwind an der deutschen Nordseeküste merklich auf. Kurz vor 9 Uhr MEZ wurden auf den Inseln Sylt und Helgoland erste orkanartige Böen von 104 km/h und mehr registriert. In der Folge nahm der Wind immer weiter zu und ab 11 Uhr MEZ gab es auf den Inseln, wenig später auch auf dem Festland erste Böen in Orkanstärke. Ein erster Höhepunkt des Sturms wurde kurz vor dem Durchzug der Kaltfront des Tiefs am späten Nachmittag und während des Frontdurchgangs erreicht. Auf den Inseln und an den Küsten gab es verbreitet Orkanböen, auf Helgoland sogar bis 154 km/h. Mit Winddrehung auf Nordwest überquerte am Abend die Kaltfront den gesamten Nordseeküstenbereich.

Nach kurzzeitiger Abschwächung nahm der Wind auf der Rückseite der Kaltfront rasch wieder zu. Vor allem im Bereich zahlreicher von Nordwesten her durchziehender Schauer gab es am Donnerstagabend und in der Nacht zum Freitag (06. Dezember 2013) verbreitet Orkanböen, zum Teil sogar bis ins Binnenland. Den höchsten Wert meldete List/Sylt-Ellenbogen um 20:20 Uhr MEZ mit 185 km/h. Einen solchen Sturm im Bereich der höhenkalten Luft auf der Rückseite eines Tiefs nennt man auch Trogsturm, da hier in höheren Schichten der Troposphäre tieferer Luftdruck in Form eines Troges vorstößt. Der Trogsturm erfasste erst im Laufe der Nacht und am Freitag die Ostseeküste in Mecklenburg-Vorpommern, wo auf der Insel Hiddensee um 04:10 und 06:20 Uhr jeweils eine Spitzenböe von 167 km/h registriert wurde.

Spitzenwindböen Deutschland
Abb. 6: 24stündige Spitzenwindböen Deutschland bis Freitag, 06. Dezember 2013, 7 Uhr MEZ


Spitzenwindböen Orkantief XAVER

Deutschland
185 km/h - List/Sylt-Ellenbogen
167 km/h - Hiddensee-Dornbusch
163 km/h - Hörnum/Sylt
159 km/h - Glücksburg-Meierwik
154 km/h - Helgoland-Oberland
154 km/h - Westerhever
150 km/h - Brocken

Niedersachsen - Küste
148 km/h - Spiekeroog
146 km/h - Wangerooge, Borkum
137 km/h - Harlesiel-Flugplatz
135 km/h - Baltrum
130 km/h - Esens-Bensersiel, Neuharlingersiel

Niedersachsen - Berg
128 km/h - Braunlage-Wurmberg
126 km/h - Bad Harzburg Burgberg

Niedersachsen - Binnenland
124 km/h - Jork
119 km/h - Ruthenstrom
107 km/h - Nordholz
104 km/h - Aurich, Stade
102 km/h - Amelinghausen

Hamburg
111 km/h - Hamburg-Veddel
98 km/h - Hamburg-Flughafen

Bremen
125 km/h - Bremerhaven
83 km/h - Bremen-Flughafen

Schleswig-Holstein - Küste
185 km/h - List/Sylt-Ellenbogen
163 km/h - Hörnum/Sylt
159 km/h - Glücksburg-Meierwik
154 km/h - Helgoland-Oberland, Westerhever
144 km/h - Kiel/Leuchtturm
141 km/h - Strucklahnungshörn
137 km/h - Büsum, Hallig Gröde, Pellworm

Schleswig-Holstein - Binnenland
130 km/h - Tarp
120 km/h - Elpersbüttel
119 km/h - Leck, Schleswig
117 km/h - Itzehoe
103 km/h - Travemünde

Mecklenburg-Vorpommern - Küste
167 km/h - Hiddensee-Dornbusch
141 km/h - Heiligendamm
135 km/h - Warnemünde
131 km/h - Greifswalder Oie
126 km/h - Kap Arkona/Rügen
122 km/h - Darsser Ort

Mecklenburg-Vorpommern - Binnenland
111 km/h - Schwerin
98 km/h - Demmin
96 km/h - Wismar, Rattey
95 km/h - Barth
93 km/h - Rostock

Spitzenböen
Abb. 7: 24stündige Spitzenwindböen Deutschland bis Samstag, 07. Dezember 2013, 7 Uhr MEZ


Auswirkungen durch den Orkan

Durch den Sturm gab es erhebliche Vegetationsschäden, zahlreiche Bäume stürzten um. Auch einige Gebäude wurden beschädigt und vor allem Schäden an Dächern wurden festgestellt. Auf Grund der zeitigen Warnungen (siehe unten) konnten aber zahlreiche Maßnahmen wie Brückensperrungen, Schulschließungen, vorzeitiges Dienstende in Behörden und Firmen oder die Einstellung des Bahn- und Fährverkehrs in Teilen Norddeutschlands viele Sachschäden und vor allem Personenschäden verhindern. Europaweit kamen durch den Sturm mindestens zehn Menschen ums Leben, davon fünf in Polen, vier in Deutschland und ein Mensch in Schottland. Zahlreiche weitere wurden verletzt. Für einen so großflächigen Sturm sind diese Zahlen relativ niedrig. Zehntausende Haushalte waren u.a. in Polen von der Stromversorgung abgeschnitten.


Auswirkungen durch die Sturmfluten

Das Orkantief XAVER kam astronomisch gesehen zu einem für Sturmfluten günstigen Zeitpunkt. Am Dienstag, 03. Dezember 2013 war Neumond, also nur etwa 2,5 Tage zuvor. Gerade zum Neumond und auch zum Vollmond summieren sich die Auswirkungen von Sonne und Mond auf den Tidenhub (Ebbe und Flut) an den Küsten. Bis dieser Effekt in Nebenmeeren wie die Nordsee wirksam werden, vergehen zwei bis drei Tage. Damit waren die Voraussetzungen für eine so genannte Springtide erfüllt, bei der das Wasser höher aufläuft als sonst.

Auch die Zugbahn des Tiefs von Island kommend über das Nordmeer nach Südskandinavien begünstigte den Aufbau eines Flutberges. Der Wind drehte an der Südseite des Tiefs rasch auf Nordwest. Damit konnte das Wasser an die deutschen Küsten und vor allem in die Mündungen von Elbe und Weser gedrückt werden. Die lange Andauer des Sturms bewirkte außerdem, dass es mehrere Sturmfluten nacheinander gab.

Bereits am frühen Nachmittag des 05. Dezember 2013 traf die erste leichte Sturmflut auf die deutsche Küste. Dabei wurde z.B. in Cuxhaven ein Wasserstand von 1,67 Meter über dem mittleren Hochwasser erreicht. Auch im Hamburger Hafen gab es wenige Stunden später eine leichte Sturmflut. Mit dem anhaltenden Sturm und der Winddrehung auf West und später Nordwest fiel das folgende Niedrigwasser quasi aus. An einigen Orten überstieg das Niedrigwasser sogar das übliche mittlere Hochwasser.

Mit den zeitigen Sturm- und Orkanwarnungen konnte bereits frühzeitig für das Hochwasser in der Nacht zum Freitag (06. Dezember 2013) und am Freitagmorgen eine Warnung vor einer schweren bis sehr schweren Sturmflut herausgegeben werden. Man spricht ab 1,50 Meter über dem mittleren Hochwasser von einer leichten, ab 2,50 Meter von einer schweren und ab 3,50 Meter über dem mittleren Hochwasser von einer sehr schweren Sturmflut. Erwartet wurden vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) Wasserstände von 3 bis 3,50 Meter, in Hamburg sogar 4 Meter über dem mittleren Hochwasser. Am Donnerstagabend (05. Dezember 2013) wurde diese Prognose vom BSH etwa um einen halben Meter nach unten korrigiert.

Der Sturm hielt aber auch in der Nacht zum Freitag, 06. Dezember 2013 unvermindert an und ließ - anders als nach einzelnen Modellrechnungen erwartet - zunächst gar nicht nach. Der Nordweststurm konnte das Wasser über die gesamte Nordsee hinweg an die deutsche Küste drücken, dazu kam der Zeitpunkt kurz nach Neumond. Damit fiel die schwere bis sehr schwere Sturmflut etwas höher aus als zuletzt erwartet. In Cuxhaven wurde kurz vor 3 Uhr morgens ein Höchststand von 3,54 Meter über dem mittleren Hochwasser gemessen. Die Deiche hielten der Kraft des Wassers stand, in Keitum auf Sylt und in Cuxhaven-Sahlenburg konnten sie aber von THW, Feuerwehr und weiteren Einsatzkräften nur mit großer Mühe gehalten werden. In Sahlenburg musste mit mehr als 10.000 Sandsäcken ein provisorischer Deich geschaffen werden, der bestehende war nach der Sturmflutkatastrophe im Januar 1976 nicht ausreichend erhöht worden.

In den folgenden Stunden schob sich der Wasserberg die Elbe hinauf in Richtung Hamburg. Gegen 06:30 Uhr am Freitagmorgen wurde in Hamburg-St. Pauli der Scheitel mit einem Höchststand von 11,09 Metern erreicht – das entspricht 6,09 Meter über Normal Null und 3,98 Meter über dem mittleren Hochwasser. Damit gab es in Hamburg die zweithöchste Sturmflut seit Beginn der Aufzeichnungen. Höher lief das Wasser nur am 03. Januar 1976 auf, damals wurden 6,45 über Normal Null oder 4,34 Meter über dem mittleren Hochwasser erreicht.

Da der Nordweststurm tagsüber am Freitag (06. Dezember 2013) anhielt und im Tagesverlauf nur sehr langsam nachließ, brachte auch das nächste Hochwasser am Freitagnachmittag an der Nordseeküste bzw. am Abend in Bremen und Hamburg eine Sturmflut. In Cuxhaven erreichte das Hochwasser einen Stand von 2,36 Meter über dem mittleren Hochwasser und verfehlte nur knapp das Kriterium einer schweren Sturmflut. Das wieder hergerichtete Deichprovisorium in Sahlenburg hielt den Fluten erneut stand. Weiter elbaufwärts gab es eine schwere Sturmflut mit Wasserständen zwischen 2,50 und etwa 2,80 Meter über dem mittleren Hochwasser.

Die Auswirkungen durch die Sturmfluten hielten sich überwiegend in Grenzen. In einigen Häfen wurden Straßen und Kaianlagen überschwemmt, so auch in Cuxhaven und Hamburg. Die inzwischen für weitaus höhere Wasserstände ausgelegten Küstenschutzanlagen verhinderten hier aber schlimmeres. Große Schäden gab es aber an einigen Inseln, die erhebliche Landverluste erlitten. So wurde die Südspitze der Insel Sylt verwüstet und das Unterfeuer, ein Seezeichen und zusammen mit dem Leuchtturm von Hörnum eines der Wahrzeichen der Insel, zerstört.


Prognose

Bereits sehr früh zeichnete sich in den Berechnungen der verschiedenen Vorhersagemodelle ab, dass um den 05./06. Dezember herum eine Sturmlage möglich ist. So erwartete das amerikanische Vorhersagemodell (GFS) am 29. November für den Nikolaustag ein Orkantief mit einem Kerndruck von etwa 960 Hektopascal über Südnorwegen mit einem starken Windfeld an der Süd- und Südwestseite. Die Prognosen an den Folgetagen schwankten wie üblich noch etwas hin und her, zeigten aber weiterhin das Sturmpotenzial.

Druckverteilung
Abb. 8: Vorhersage der Druckverteilung vom Freitag, 29. November 2013 für Freitag, den 06. Dezember 2013, 19 Uhr MEZ (GFS)

Schon drei bis vier Tage vor dem Sturm wurden von den meisten Modellen für Norddeutschland Böen bis Orkanstärke berechnet, dies besonders für die Küsten und das Binnenland Schleswig-Holsteins sowie das nördliche Niedersachsen. Auch am Dienstag zeigten viele Modelle diesen Trend stabil an.

Böen
Abb. 9: Böenvorhersage des europäischen Wettermodells vom Montag, 02. Dezember 2013 in Kilometer pro Stunde. (oben bis Donnerstag 19 Uhr, unten bis Freitag 1 Uhr, rot = mehr als 110 km/h, violett = mehr als 140 km/h)

Luftdruck
Abb. 10: Vorhersage der Druckverteilung von Dienstag, 03. Dezember 2013 für Donnerstag, den 05. Dezember 2013, 19 Uhr MEZ (ECMWF)

Böen
Abb. 11: Vorhersage der Spitzenböen (km/h) des ECMWF-Modells von Mittwoch, 04. Dezember 2013, 01 Uhr für den Zeitraum Donnerstag, 05. Dezember 2013, 13 bis 19 Uhr MEZ (rot = mehr als 110 km/h, violett = mehr als 140 km/h)

Die Meteorologen der Unwetterzentrale gaben am Dienstagvormittag und damit etwa 48 Stunden vor Beginn des Ereignisses entsprechende Vorwarnungen bis zur Stufe Violett für das nördliche Mitteleuropa aus, darunter der gesamte norddeutsche Raum.

Tageskarte
Abb. 12: Karte mit allen am Donnerstag, den 05. Dezember 2013 gültigen Warnungen der Unwetterzentrale


Besonderheiten – Vergleich mit anderen Orkantiefs

Im Vergleich mit dem Orkan CHRISTIAN Ende Oktober 2013 waren wesentlich größere Gebiete von Sturm- und Orkanböen betroffen. CHRISTIAN brachte innerhalb eines schmalen Bereichs extrem heftige Orkanböen mit Windspitzen bis 191 km/h. Die Böen bei XAVER waren zwar in den meisten Regionen um einiges schwächer, traten aber großflächiger auf. Anders war auch die Zugbahn: Während CHRISTIAN als so genannter Schnellläufer mit sehr hoher Zuggeschwindigkeit unter Verstärkung vom Atlantik über England und die südliche Nordsee nach Dänemark und Südschweden zog, schlug XAVER eine Zugbahn von Island über das Nordmeer nach Südnorwegen und Südschweden und weiter zur Ostsee und nach Russland ein. Diese Entwicklung erhöhte die Gefahr von Sturmfluten und ähnelt dem Orkantief VINCINETTE vom Februar 1962, das vor allem in Hamburg eine verheerende Sturmflut brachte. Der Wasserstand in Hamburg von damals wurde bei XAVER sogar noch übertroffen.

Außergewöhnlich war die lange Andauer des Sturmereignisses. So wurde an der Station Hiddensee-Dornbusch im Norden der Ostseeinsel über einen Zeitraum von 41 Stunden im Mittel Sturmstärke erreicht. Orkanböen gab es dabei durchgehend von Donnerstag, 05. Dezember 2013, 16:10 Uhr MEZ bis Samstag, 07. Dezember 2013, 00:10 Uhr MEZ, also über eine Spanne von 32 Stunden. Ähnlich lange hielt der Sturm auf einigen Nordseeinseln an, die Wetterstation am Ellenbogen am Nordende von Sylt meldete durchgehend Sturmböen vom Donnerstag, 07:10 Uhr MEZ, bis zum Samstag, 03:10 Uhr MEZ. Durch den lang anhaltenden Sturm fast durchweg aus Nordwest gab es mehrere Sturmfluten an der deutschen Nordseeküste.


Gewitterfront

Im Bereich des Orkans XAVER traten neben den heftigen Windböen auch Gewitter auf. Gewitter sind im Bereich von Winterstürmen und -orkanen gar nicht so selten. Sie bilden sich vor allem an der Kaltfront, wenn auf der Tiefrückseite deutlich kältere Luft auf die zuvor eingeflossene feuchtmilde Luft trifft. Wenn in höheren Schichten der Troposphäre sehr starker Wind weht, dann ordnen sich die Gewitter oft zu einer Gewitterfront an, einer so genannten „squall line“. So kommt es, dass sich am Rande eines solchen Orkantiefs oft eine ausgeprägte Gewitterfront ausbildet. Dieses Phänomen wurde auch bei den Orkanen KYRILL (2007) und EMMA (2008) beobachtet.

Modell-Mittelwind 850hpa
Abb. 13: Animation des 850 hPa-Modell-Mittelwindes (in rund 1.500 Metern Höhe) von Donnerstag, 05. Dezember 2013, 1 Uhr bis Samstag, 07. Dezember 2013, 19 Uhr MEZ

Die Gewitterfront von XAVER zeichnete sich durch eine für die Jahreszeit recht hohe Blitzaktivität aus. Innerhalb einer solchen Gewitterfront entstehen so genannte „Mesozyklonen“, eingelagerte kräftige Gewitterzellen, in deren Bereich mit dem heftigen Niederschlag der extrem starke Höhenwind bis zum Boden herunter gemischt werden kann. Bei XAVER betrug der Höhenwind 70 bis teils über 90 Knoten (rund 130 bis 170 km/h) (vgl. Abb. 13). Hier drohen punktuell schwerste Schäden.

Ein weiteres Phänomen sind Tornados, die an der Gewitterfront entstehen können. Die allgemeinen Voraussetzungen für die Bildung von Tornados sind feuchte Luft in Bodennähe, große vertikale Temperaturgegensätze und vor allem die so genannte Scherung. Damit ist die Zunahme und Windrichtungsänderung des Windes mit der Höhe gemeint. Weht in höheren Schichten deutlich stärkerer Wind und dreht dieser mit der Höhe, kann man sich leicht vorstellen, dass aufsteigende Luft in Rotation versetzt werden kann. Und diese Scherung ist bei Winterstürmen besonders groß.

Blitze
Abb. 14: Blitzverteilung am Donnerstag, 05. Dezember 2013, 12 Uhr MEZ

Bereits am späten Donnerstagvormittag des 05. Dezember 2013 bildete sich über der Nordsee eine Gewitterfront mit starker Blitzaktivität aus. Sie kam im weiteren Verlauf rasch nach Süden bis Südosten voran und näherte sich am frühen Nachmittag der deutschen Nordseeküste. Gegen 17 Uhr lag die Gewitterfront bereits etwa auf einer Linie von den Niederlanden über das Münsterland bis zum Weserbergland, weiter östlich gab es nur einzelne Blitze. Wo die eingelagerten stärkeren Zellen durchzogen, gab es lokal heftigste Böen mit Graupel und vereinzelt sogar Hagel. Und bisher liegen zwei Tornadoverdachtsfälle vor, einer aus Niedersachsen, der zweite aus Mecklenburg-Vorpommern.

Blitze2
Abb. 15: VIS-Satellitenbild und Blitze am Donnerstag, 05. Dezember 2013, 13:35 Uhr MEZ

Blitze3
Abb. 16: Blitze am Donnerstag, 05. Dezember 2013, 17:20 Uhr MEZ


Wintereinbruch mit Schnee auf der Rückseite

Auf der Rückseite von XAVER setzte sich mit Winddrehung auf Nordwest deutlich kältere Luft polaren Ursprungs durch. Die Schneefallgrenze sank rasch auf 500 Meter und in der Nacht zum Freitag (06. Dezember 2013) oft bis in tiefe Lagen ab. Durchziehende Schneeschauer brachten lokal eng begrenzt erhebliche Schneemengen, die einen weißen Nikolausmorgen bescherten.

Neuschneemengen
Abb. 17: 24stündige Neuschneemengen am Freitag, 06. Dezember 2013, 7 Uhr MEZ in Zentimeter

Neuschneemengen
Abb. 18: 24stündige Neuschneemengen am Samstag, 07. Dezember 2013, 7 Uhr MEZ in Zentimeter

Bis zum Samstagmorgen, den 07. Dezember 2013 kamen z.B. in der Lüneburger Heide und im Sauer- und Siegerland gebietsweise 15 Zentimeter Neuschnee und mehr zusammen. Der Wintereinbruch führte auf der Autobahn A45 („Sauerlandlinie“) zu einem Verkehrschaos mit quer stehenden LKW und stundenlangem Stillstand in beiden Richtungen auf einer Länge von mehr als 20 Kilometern.


Fazit

Der Orkan XAVER gehört zu den stärksten Sturmereignissen der vergangenen Jahrzehnte in Deutschland. Durch frühzeitige Warnungen konnten aber viele Schäden verhindert werden, die Zahl der Opfer blieb für einen Sturm dieser Stärke und Größenordnung relativ niedrig. Durch den lang anhaltenden Nordwestwind gab es drei Sturmfluten, darunter die zweithöchste seit Aufzeichnungsbeginn.


Diese Zusammenstellung wurde von Thomas Sävert und Stefan Laps, Meteorologen der Unwetterzentrale, im Dezember 2013 erstellt.

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