(Ex-)Hurrikan GONZALO und sein Wirken bis nach Südeuropa


Allgemeines

Satellitenbild
Abb. 1: Satellitenbild von GONZALO am 16.10.2014 südwestlich von Bermuda (Quelle: NASA)

Der Hurrikan GONZALO war auf eine tropische Welle zurückzuführen, die in der ersten Oktoberwoche von Westafrika auf den Atlantik hinauszog. Am 10.10.2014 wurde sie vom National Hurricane Center (NHC) in Miami unter genaue Beobachtung gestellt und zwei Tage später formierten sich Schauer und Gewitter dicht östlich der Kleinen Antillen zum Tropischen Sturm GONZALO.

Der Sturm zog zunächst nach Westen und traf auf die nördlichen Kleinen Antillen und Puerto Rico, wo heftige Regenfälle starke Überschwemmungen auslösten. Nahe Puerto Rico verstärkte sich der Sturm zum sechsten Hurrikan der nordatlantischen Hurrikansaison 2014. Unter günstigen Bedingungen über warmem Wasser und ohne störende Höhenwinde konnte sich GONZALO rasch zu einem sehr starken Hurrikan verstärken. Am 15.10.2014 erreichte er die zweithöchste Kategorie der fünfteiligen Hurrikanskala. Die mittleren Windgeschwindigkeiten reichten zeitweise bis etwa 230 km/h mit noch wesentlich stärkeren Böen bei einem Kerndruck von 940 hPa. Damit war GONZALO der stärkste Atlantik-Hurrikan des Jahres und der erste Hurrikan dieser Stärke seit drei Jahren.

Wegstrecke GONZALO
Abb. 2: Der Weg von Hurrikan GONZALO zum außertropischen Sturmtief

GONZALO drehte weiter nach Norden und Nordosten ein und streifte Bermuda mit schweren Orkanböen und meterhohen Wellen. Am 19.10.2014 streifte der Hurrikan unter Abschwächung Neufundland. Danach zog er auf den Nordatlantik hinaus, wo er sich unter Einbeziehung kanadischer Kaltluft zu einem starken außertropischen Sturmwirbel umwandelte.

Als nun außertropisches Sturmtief steuerte Ex-GONZALO auf Schottland zu. Dabei bog er auf einen eher südöstlich gerichteten Kurs ein. Auf seinem Weg über die Nordsee führte er in Großbritannien und in den Beneluxländern mit starken Schauern und Gewittern sowie schweren Sturmböen zu Schäden und es kam unter anderem auch zu Behinderungen im Luftverkehr.

Dienstag 12Z
Abb. 3: Spitzenwindgeschwindigkeiten von Dienstag, 21.10.2014, 8 bis 14 Uhr MESZ

Am Mittag des 21.10.2014 erreichte das Sturmfeld von Ex-GONZALO die Beneluxstaaten mit Windstärken von 9 bis 10 Beaufort. Auf der Rückseite des Tiefs wurde aus polaren Breiten labile und kalte Meeresluft angesaugt. Die zugehörige Kaltfront zog unter Intensivierung, teils mit kräftigen Schauern, Blitz und Donner rasch nach Südosten. Dabei kam es in den Nachmittags- und Abendstunden von Luxemburg und Nordrhein-Westfalen, über Rheinland-Pfalz und das Saarland bis nach Hessen selbst in den Niederungen zu Windböen der Stärke 10 (schwerer Sturm) bis 11 (orkanartiger Wind). Auf den Bergen gipfelten die Böen in Orkanstärke, wie beispielsweise auf dem Feldberg im Schwarzwald mit 148 km/h.

Dienstag 18Z
Abb. 4: Spitzenwindgeschwindigkeiten von Dienstag, 21.10.2014, 14 bis 20 Uhr MESZ

Mittwoch 00Z
Abb. 5: Spitzenwindgeschwindigkeiten von Dienstag, 21.10.2014, 20 Uhr bis Mittwoch, 22.10.2014, 02 Uhr MESZ

Am Abend des 21.10.2014 wurden dann auch weite Teile Bayerns erfasst. Dabei verstärkte sich die Wetteraktivität der Kaltfront noch weiter. Mit starken Regenfällen und örtlichen Graupelgewittern wurden aus höheren Luftschichten noch stärkere Winde bis ins Tiefland herabgemischt. Dieser so genannte vertikale Impulstransport löste dann Böen bis hin zu Orkanstärke aus. In Ansbach konnten bis zu 137 km/h gemessen werden. Zu den Windskalen

Mittwoch 06Z
Abb. 6: Spitzenwindgeschwindigkeiten von Mittwoch, 22.10.2014, 02 bis 08 Uhr MESZ

Auf der Rückseite des Tiefs Ex-GIONZALO drehte der Wind an der deutschen Nordseeküste auf Nordwest mit teils orkanartigen Böen an der Nordsee. Damit wurde das Wasser gegen die Küsten gedrückt. In der Nacht zum 22.10.2014 wurde die Schwelle zur Sturmflut (1,50 Meter über dem mittleren Hochwasser) meist nur knapp verfehlt. Das nachfolgende Niedrigwasser fiel durch den Windstau weitgehend aus. Zum Mittags- bzw. Nachmittagshochwasser stellte sich dann eine leichte, im Bereich der Emsmündung eine schwere Sturmflut ein. In Hamburg und Bremerhaven lief das Wasser 2,20 Meter höher auf als das mittlere Hochwasser. Am Pegel in Emden wurde ein Höchststand von 2,84 Metern und am geschlossenen Emssperrwerk von 3,03 Metern über mittlerem Hochwasser registriert. Ab einem Wasserstand von 2,50 Meter über dem mittleren Hochwasser spricht man von einer schweren Sturmflut.

In Hamburg gab es die Besonderheit, dass die Sturmflut am Nachmittag eintrat, als der Wind nur noch sehr schwach war. Eine solche „sturmlose“ Sturmflut wird nur sehr selten beobachtet. Zuletzt gab es dies vor knapp 50 Jahren am 04.12.1964.

Niederschlagsmengen
Abb. 7: 24stündige Niederschlagsmengen von Mittwoch, 22.10.2014, 08 Uhr bis Donnerstag, 23.10.2014, 08 Uhr MESZ

Mit Winddrehung auf Nordwest erreichte polare Kaltluft am 22.10.2014 außerdem die Alpen und es setzte ein markanter Wettersturz ein. Die Schneefallgrenze sank zeitweise auf 800 bis 600 Meter ab. Oberhalb von 800 Metern blieb der Schnee liegen und führte teilweise zu Schneebruch an den Bäumen. Im hochalpinen Bereich kam es zu einem heftigen Wintereinbruch bei Neuschneemengen von bis zu 1 Meter. In tieferen Lagen sorgte der Staueffekt des Nordwindes für 60 bis 100 Liter Regen pro Quadratmeter innerhalb von nur 24 Stunden. Dies ist mehr als die übliche Monatsmenge für einen ganzen Oktobermonat.

Neuschneemengen
Abb. 8: Animation der 24stündigen Neuschneemengen bis Mittwoch, 22., Donnerstag, 23. und Freitag 24.10.2014 - jeweils um 08 Uhr MESZ

Gesamtschneehoehen
Abb. 9: Animation der Gesamtschneehöhen jeweils morgens um 08 Uhr MESZ am Mittwoch, 22., Donnerstag, 23. und Freitag 24.10.2014

Am 23.10.2014 sorgte Ex-GONZALO für kräftige Schauer, Gewitter und Sturmböen im Bereich der Adria sowie später auch in Griechenland und in der Türkei.


Auswirkungen

Der Ex-Hurrikan GONZALO führte in einigen Staaten zu Behinderungen im Luft- und Straßenverkehr. Alleine in Süddeutschland beläuft sich der Sachschaden nach Medienberichten auf etliche Millionen Euro. Dächer wurden abgedeckt, Keller wurden geflutet und zahlreiche Bäume blockierten Straßen und Autobahnen. In einigen Gemeinden und Ortschaften Süddeutschlands fiel für einige Stunden der Strom aus, in Österreich waren zwischenzeitlich sogar 30.000 Haushalte ohne Strom. Im weiteren Verlauf kam es zu heftigen Schneefällen im Alpenraum, teilweise wurde Schneebruch gemeldet, der Straßen blockierte und Strommasten umknicken ließ.


Vorhersagbarkeit

Vorwarnungen
Abb. 10: Vorwarnungen am Montag, 20.10.2014

Die Prognosen der Unwetterzentrale waren schon im frühen Stadium des Vorwarnmanagements sehr konstant. Teilweise erfolgten Vorwarnungen bereits 36 Stunden vor Eintreffen der ersten Sturmböen. Schon am Morgen des 20.10.2014 war unser Vorwarnmangement für die schwerpunktmäßig betroffenen Gebiete abgeschlossen. Überwiegend wurden Vorwarnungen für die Warnstufe ROT vor Böen von um oder über 100 km/h ausgegeben. Parallel dazu wurden wenig später noch Vorwarnungen für starke Gewitter ausgegeben.

Warnungen
Abb. 11: Akutwarnungen am Dienstag, 21.10.2014

Akutwarnungen der Warnstufe ROT waren bereits 12 Stunden vor Ereignisbeginn aktiv. Auch die Niederschlagsprognosen konnten Dank der uns zur Verfügung stehenden Vorhersagemodelle sowie dem hauseigenen MeteoGroup-MOS schon sehr früh konkretisiert werden. Über den Warnlagebericht sowie über Beiträge in unserem Facebook-Portal haben wir schon vier Tage vor Eintreffen des Ex-Hurrikans über die bevorstehende Sturmlage und den Wettersturz in den Alpen umfassend informiert.

Am Vormittag des 21.10.2014 waren weite Landesteile im Westen bereits vor schweren Sturmböen von 90 bis 100 km/h akut gewarnt. Teile des Südwestens und Südens hatten schon eine Sturm- und Orkanwarnung der zweithöchsten Warnstufe ROT erhalten. Diese wurden kurz darauf noch etwas ausgeweitet, die Alpengipfel sowie die höchsten Lagen des Schwarzwaldes wurden violett gewarnt vor Orkanböen „bis um 150 km/h“. Zusätzlich erfolgten Warnungen der Stufen ORANGE, ROT und VIOLETT vor ergiebigem Dauerregen sowie Rotwarnungen wegen Starkschnell für Lagen ab 1000 Meter.


Fazit

Dass ehemalige tropische Stürme bzw. Hurrikane in die Reichweite von Europa gelangen, ist keine Seltenheit. Meistens treten diese jedoch kaum an die Öffentlichkeit, weil sich die meisten dieser Systeme zwischen Neufundland und Grönland auflösen. Die Ausnahme sind Annäherungen bis Island und Norwegen. GONZALO hat es jedoch vom Seegebiet der östlichen Antillen an Neufundland vorbei über Deutschland bis ins östliche Mittelmeergebiet geschafft. Dies ist eine äußerst seltene Zugbahn. Auch ist die Langlebigkeit dieses Sturmsystems bemerkenswert. So formierte es sich um den 12.10.2014 östlich der Kleinen Antillen und sorgte selbst am 23., 24. und 25.10.2014 noch für heftige Wettererscheinungen als quasi stationäres System im östlichen Mittelmeerraum. Die Vorhersagbarkeit des Sturms war sehr gut. Wegen der sehr warmen Witterung zu dieser Zeit waren die Bäume noch oft stark belaubt. Dies stellte eine zusätzliche Gefahr für Astbruch oder umstürzende Bäume dar; dies ebenfalls in Bezug auf den Schneebruch am Alpenrand.

Zum Abschluss noch eine kleine Animation zur Zugbahn des Sturmwirbels GONZALO:

Animation
Abb. 12: Der Weg von GONZALO

Eine Hitliste von Spitzenwindböen stellen wir in unserer Rubrik Sturmtiefsaison 2014/2015 zur Verfügung.

Diese Zusammenstellung wurde von Andreas Wagner, Thomas Sävert und Stefan Laps, Meteorologen der MeteoGroup Unwetterzentrale, im Oktober 2014 erstellt.


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