Randtief GERNOT - 02. bis 04.03.2007 (Tief Nr. 43)

Wetterlage
Bodendruckanalyse
Randtief GERNOT entstand zum 2.3. auf dem Atlantik aus einer Wellenstörung heraus. Das Sturmfeld von Tief EBERHARD beeinflusste in der Nacht des 2.3. noch den Nordwesten und Norden Deutschlands im Bereich labiler Höhenkaltluft mit einzelnen Sturmböen.

Bodendruckanalyse
Bis zur Nacht auf den 3.3. ist das Randtief zu einem kleinräumigen Sturmwirbel herangewachsen und lag mit einem Kerndruck von 987 hPa über dem Südosten Englands.

Bodendruck- und Sturmfeldanalysen

Bodendruck- und Sturmfeldanalyse (10 m)
Diese Animation zeigt den Bodendruckverlauf in Mitteleuropa mit Passage des Tiefs sowie das Windfeld in 10 Metern Höhe.

Sturmfeldanalyse (850 hPa-Niveau)
Hier sehen Sie das Verhalten des Höhenwindes im 850 hPa-Niveau während der Passage des Tiefs GERNOT.

Ausführliche Analyse der Wetterlage
Großwetterlage: südliche Westlage. Ausgehend von Sturmtief EBERHARD über dem nördlichen Mitteleuropa erstreckte sich seine Frontalzone über Mittel- und Westeuropa hinweg hinaus auf den Atlantischen Ozean. Am 1.3. entstand eine Wellenstörung über dem Atlantik. Zum Tag darauf hatte sich das kleinräumige Randtief GERNOT entwickelt und lag mit einem Kerndruck von 1000 hPa und ausgebildetem Frontensystem über dem Atlantik. Mit 90 bis 100 kn (167 bis 185 km/h) in 500 hPa wurde das Randtief ostwärts über den Atlantik transportiert und erreichte am Abend des 2.3. bereits die Küste Südwestenglands mit einem Kerndruck von 990 hPa. GERNOT hatte sich bis zum 19 Uhr MEZ-Termin zu einem kleinräumigen Sturmtief entwickelt. Sein Windfeld wirkte sich zunächst besonders auf die Westküste Frankreichs mit ersten Sturmböen aus. Bis zur Nacht auf den 3.3. nahm der Druckgradient innerhalb des Tiefs weiter zu, der Kern vertiefte sich auf 987 hPa. Seine Ausläufer führten in weiten Teilen Frankreichs, Südenglands, den BeNeLux-Ländern und dem Westen Deutschlands zu Regen. An der südenglischen Küste erreichten die Spitzenböen im Bereich des stärksten Druckgradienten 106 km/h.

Das Verhalten der Drucktendenzen veranschaulicht, wie kleinräumig der Sturmwirbel war: Während auf der Vorderseite des Tiefs am 3.3. um 1 Uhr MEZ über dem Südosten Englands noch dreistündige Druckfalltendenzen von bis zu 8,0 hPa registiert wurden, stieg der Druck auf der Rückseite des Tiefs im Südwesten Englands mit bis zu 7,3 hPa in selbigem Zeitraum wieder an. Im Laufe der Nacht verlagerte sich das Tief weiter nach Osten. In Boulogne wurde bis zum 4 Uhr MEZ-Termin eine Spitzenbö von 119 km/h registriert. In der West- und Südwesthälfte Deutschlands regnete es sich bereits ein mit 3 bis 9 l/m². Durch Staueffekte begünstigt, wurden von 1 bis 4 Uhr MEZ im Schwarzwald sogar bis zu 17 l/m² gemessen. Durch den starken Höhenwind nahm der Wind im Laufe der Nacht auch am ehesten im Schwarzwald zu. Auf dem Feldberg wurde bis zum Morgen des 3.3. eine erste Spitzenorkanbö von 126 km/h erreicht. Mit weiterhin 987 hPa analysierte der britische Wetterdienst den Kern unseres Tiefs GERNOT um 7 Uhr MEZ über dem Westen Belgiens. Seine Kaltfront passierte bereits den Südwesten Deutschlands. Auf Grund der ihr vorauslaufenden massiven Warmluftadvektion gingen die Niederschläge jedoch bis in die Hochlagen der Mittelgebirge als Regen nieder, während in den zentralen Mittelgebirgen und nördlich davon (nördlich der Frontalzone von GERNOT) die Niederschläge zum Teil als gefrierenden Regen in Gipfelnähe oder als Schnee in mittleren und tiefen Lagen fielen. Von der Eifel bis zum Hegau frischte der Wind kontinuierlich auf und erreichte bis ins Flachland erste Sturmböen.

Im Laufe der Morgenstunden verstärkte sich der Druckgradient im Bereich des kleinräumigen Tiefs, was an Hand der Drucktendenzen abzulesen ist: Bis um 10 Uhr MEZ wurden auf der Vorderseite des Tiefs über Nord- und Ostdeutschland dreistündige Druckfalltendenzen von bis zu 3,8 hPa gemessen, während auf der Rückseite des Tiefs Druckanstiege in gleichem Zeitraum zwischen östlichem Ärmelkanal und der Nordsee von bis zu 10,5 hPa registriert wurden. Bis zum Mittag hin wurden im Bereich des kräftigsten Druckgradienten sowie im Bereich labiler Luftschichtung (KLA mit bis zu -28°C in 500 hPa) und den daraus resultierenden Schauern teilweise schwere Sturmböen bis 100 km/h bis ins Flachland erreicht. Von 10 bis 13 Uhr wurde der kräftigste Druckanstieg von 13,8 hPa in Rotterdam registriert. Mit Passage der Kaltfront sowie tageszeitlich bedingt bildeten sich im Alpenvorland sowie am Alpenrand einzelne, teils kräftige Schauer und Gewitter mit Graupel oder Hagel. Signifikante Niederschlagsmengen kamen jedoch nicht zusammen; meist wurden im Bereich von Gewittern zwischen 6 und 8 l/m² in einer Stunde registriert. Im Okklusionsbereich gingen die Niederschläge bei rund 4°C bis zum Mittag im Norden Deutschlands durchweg als Regen nieder. In den Staulagen einiger Mittelgebirge regnete es weiterhin teil kräftiger und somit verschärfte sich die Abflusssituation an kleinen Flüssen und Bächen. Durch die eher regenreichen vergangenen Wochen führten kleine Flüsse und Bäche bereits leichtes Hochwasser. Im Süden des Landes wurden bis zu 14°C erreicht.

Das Hauptsturmfeld war kleinräumig, aber durchaus intensiv, zumal unter Einfluss labiler Luftschichtungsverhältnisse im Bereich von Schauern der vertikale Impulstransport zum Tragen kam und häufiger schwere Sturmböen bis ins Flachland erreicht wurden. Das Sturmfeld war zwischen dem Südwesten NRWs, Rheinland-Pfalz, Süd-Hessen, Süd-Thüringen, Baden-Württemberg und Bayern wirksam. In den Mittelgebirgen zwischen Haardt und Schwarzwald sowie am Alpenrand wurden Orkanböen von teils über 130 km/h gemessen. Am Nachmittag des 3.3. erreichte der Wendelstein durch die klassische Westwindkanalisierung eine Spitzenbö von 172 km/h. Nördlich der o.g. Bereiche blieb es durchweg schwachwindig und hier blieb vor allem Regen ein Thema.

Am Abend ließ der Wind mit rascher Südostverlagerung des Tiefs in Richtung Tschechien von Nordwesten her deutlich nach. Betroffen vom sich allmählich abschwächenden Hauptsturmfeld wurde dann jedoch vor allem unser Nachbarland Österreich. Durch Umströmungseffekte am Ostalpenrand sowie weiteren orographischen Effekten ausgelöst vom Wienerwaldsporn wurden im Osten Österreichs schwere Sturmböen bis in die Tieflagen registriert. In den Hochlagen kam es zu Orkanböen. In der zweiten Nachthälfte des 4.2. sowie am Morgen ließ der Wind dann auch in Österreich immer mehr nach.

Visible-Satellitenbilder
Visible-Satellitenbild
Am 3.3. um 9 Uhr MEZ liegt der eindrucksvolle und kleinräumige Wirbel über den BeNeLux-Ländern. Die Okklusion hat den Norden Deutschlands erreicht, die Kaltfront passiert die Mitte und den Osten des Landes. Die klassische hochreichende Warmfront- bzw. Warmsektorbewölkung ist von Tschechien über Österreich und Süddeutschland hinweg bis nach Norditalien zu erkennen. Auf der Rückseite der Kaltfront gelangten Schauer in den Südwesten Deutschlands (zur Vergrößerung des Bildes bitte klicken).

Visible-Satellitenbild
Am Nachmittag des 3.3. um 15 Uhr MEZ liegt der Wirbel GERNOTs über der Mitte Deutschlands. Im Bereich der über Österreich und Tschechien hinwegziehenden Kaltfront sind konvektive Umlagerungen zu erkennen, die in den vorangehenden Stunden bereits über Süddeutschland und fortwährend bis nach Oberösterreich teils kräftige Gewitter ausgelöst hat (zur Vergrößerung des Bildes bitte klicken).

Vorhersage

Die Prognosen der führenden nationalen und internationalen Vorhersagemodelle gingen rund 72 Stunden vor Ereignisbeginn noch recht weit auseinander. Zunächst sah es so aus, als wenn durch die südliche Westlage das Randtief GERNOT ganz knapp noch den äußersten Südwesten Deutschlands betreffen würde. Mit jedem weiteren Modelllauf näherten sich die Modelle einer nördlicheren Zugbahn an. 48 bis 36 Stunden vor Ereignisbeginn deutete sich fortwährend eine durchaus markante Sturmlage für West- und Süddeutschland an. Eine Besonderheit an dieser Wetterlage war, dass das Hauptwindfeld im Bereich labil geschichteter Kaltluft (bis -28°C in 500 hPa) lag, sodass der vertikale Impulstransport wenn auch im Bereich meist schwacher bis mäßig starker geproggter Schauer den Höhenwind heruntermischen könnten. 12 bis 18 Stunden vor Ereignisbeginn bewarnten die Meteorologen der Unwetterzentrale sehr exakt den Verlauf des Sturmfeldes akut orange bzw. rot.

Warnkarten der Unwetterzentralen Deutschland und Österreich
Warnkarte der Unwetterzentrale Deutschland
12 bis 18 Stunden vor Ereignisbeginn bewarnten die Meteorologen der Unwetterzentrale sehr exakt den Verlauf des Sturmfeldes akut orange bzw. rot. 3 bis 6 Stunden vorher wurden noch letzte Feinheiten den neuesten Modellgegebenheiten angepasst, die z.B. das Violett im Hochschwarzwald sowie am Alpenrand begründen. Die Rotwarnungen für München und dem benachbarten Landkreis Ebersberg stellen Gewitterwarnungen dar. Rund 36 Stunden vor Ereignisbeginn gaben die Meteorologen der UWZ präzise Vorwarnungen für das bis dahin noch recht unsichere Sturmereignis aus.

Warnkarte der Unwetterzentrale Österreich
Die Kollegen der Unwetterzentrale in Österreich gingen ihrerseits von einem markanten Sturmereignis aus, da die Modelloutputs massive Umströmungseffekte östlich am Alpenhauptkamm vorbei sowie weitere orographische Effekte durch den Wienerwaldsporn simulierten. Teile des östlichen Alpenkamms wurden violett bewarnt.

Spitzenböen (ab 118 km/h) - 3.3. 1 Uhr bis 4.3. 7 Uhr
Quellen der Daten: Messnetz MeteoGroup, DWD, Auswahl

  • 172 km/h - Wendelstein
  • 157 km/h - CH: Kleines Matterhorn
  • 156 km/h - A: Feuerkogel; CH: Concordiahütte
  • 141 km/h - Zugspitze
  • 137 km/h - Weinbiet, Feldberg/Schwarzwald, Nebelhorn
  • 133 km/h - Wallberg; A: Aigen/Ennstal (638 m)
  • 131 km/h - CH: Chasseral
  • 130 km/h - A: Galzig
  • 126 km/h - Großer Arber; CH: Les Diablerets
  • 124 km/h - Belchen/Schwarzwald; CH: Vorab-Talstation
  • 122 km/h - Hohenpeissenberg; A: Sonnblick, Rax Bergstation
  • 120 km/h - Hornisgrinde; CH: Moleson
  • 119 km/h - A: Loferer Alm; CH: Weißfluhjoch, Männlichen, Ebenalp


Diese Analyse wurde von Manfred Spatzierer und Stefan Laps, Meteorologen der Unwetterzentralen Deutschland und Österreich, im März 2007 erstellt.

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