Sturmtief CAROLA - 04. bis 06.11.2006 (Tief Nr. 9)

Wetterlage
Bodendruckanalyse
Die Karte des ECMWF-Modells zeigt den markanten Luftdruckgradienten über Mitteleuropa. Um 7 Uhr MEZ wurden am Oberrhein Luftdruckwerte von bis zu 1036 hPa gemessen, auf Rügen hingegen Werte bis 1008 hPa. Der Kerndruck des Tiefs betrug 1000 hPa über der Ostsee. Die Isobarenkrümmung ist zumeist antizyklonal.

Bodendruckanalyse
Bis zum Mittag vertiefte sich der Kern auf 998 hPa über dem Norden Polens. An den Küsten von Nord- und Ostsee wurden zu diesem Termin Sturmböen bis 83 km/h gemessen, auf dem Fichtelberg Böen bis 115 km/h. Auch in Richtung Zittauer Gebirge wehte stürmischer Wind aus nordwestlicher Richtung. Wenn hier einmal stürmischer Wind weht, dann tendenziell eher aus südöstlicher bis südlicher Richtung (Böhmischer Wind).

Bodendruckanalyse
Am Abend des 5.11. erreichte das Tief die Ukraine. Nun verstärkte sich auch in Niederöstereich fortwährend der Druckgradient es traten Spitzenwindgeschwindigkeiten von bis zu 94 km/h (Wien Hohe Warte) in tieferen Lagen auf.

Ausführliche Analyse der Wetterlage
Auf der Rückseite des Orkantiefs BRITTA (Tief Nr. 8) erstreckte sich ab dem 2.11. ein markanter Höhentrog vom Nordpolarmeer über Mitteleuropa hinweg bis nach Italien, die Balkanhalbinsel und bis zum Peloponnes und führte in den genannten Gebieten zum ersten Kaltlufteinbruch der Saison mit Schneefällen vor allem im Mittelgebirgs- sowie im Alpenraum. In den darauffolgenden Tagen verlagerte sich das Orkantief samt korrespondierendem Höhentrog weiter in den Osten Europas und ein ausgedehnter Hochkeil über dem Ostatlantik machte seinen Einfluss im westlichen Mitteleuropa und in Südskandinavien geltend. Am 4.11. lag Mitteleuropa dann am Rande des markanten Höhentroges, der sich von Russland bis ins östliche Mittelmeer erstreckte. Ein Schwerpunkt der gen Süden gerichteten Kaltluft lag mit bis zu -42°C im 500 hPa-Niveau im Raum Rumänien - Bulgarien. Über Mitteleuropa wirkte sich noch vorübergehend eine nördliche Komponente aus und die letzten Reste der kalten Luft der vorangehenden Tage waren noch vor allem im südlichen Mitteleuropa wetteraktiv. Das korrespondierende Bodenhoch konnte mit bis zu 1036 hPa über den Britischen Inseln analysiert werden. Im Laufe des Tages kippte die Höhenströmung auf der Ostseite der Hochachse auf Nordwest und der nordskandinavische Tiefdruckeinfluss weitete sich folglich bis nach Südskandinavien aus. Die Luftdruckgegensätze zwischen dem kräftigen Hoch und tiefem Luftdruck über dem Norden und Osten Europas nahmen daher im Tagesverlauf über Mitteleuropa allmählich zu. Zwischen 6 und 7 Uhr MEZ wurden auf dem Fichtelberg im Erzgebirge bereits erste warnrelevante Spitzenböen erreicht. Durch den Leeeffekt des Ostalpenrandes und der Druckgradientverschärfung wurden tagsüber auch in einigen exponierten Lagen Niederösterreichs warnrelevante Windböen erreicht. In das nordwestliche Höhenströmungsfeld gliederten sich Störungen eines Islandtiefs ein, die mit ihren Regengebieten südostwärts in Richtung Ostdeutschland zogen und sich vor allem an den Nordwesthängen von Harz, Erzgebirge und Böhmerwald stauten. Dabei wurde allmählich mildere Nordatlantikluft nach Mitteleuropa gelenkt.

Bis zum Abend des 4.11. konnte sich vom Nordpolarmeer ein kleinräumiger Trog angefüllt mit labiler Höhenkaltluft in Richtung Zentralskandinavien ausweiten. In Folge dieser Entwicklung vergrößerten sich die Temperaturgegensätze zur über Südskandinavien gelegenen etwas milderen Luft, sodass sich in der Nacht zum 5.11. zwischen den beiden Luftmassen ein eigenständiges Tiefdruckgebiet - CAROLA - bildete. Gemäß der vorgegebenen nach Südost gerichteten Höhenströmung verlagerte sich das Tief im Tagesverlauf unter leichter Verstärkung über die Ostsee hinweg nach Polen. Gleichzeitig wanderte das kräftige Britannienhoch etwas weiter nach Osten, sodass sich der ohnehin schon vorhandene markante Druckgradient noch weiter verstärken konnte. An dieser Wetterlage gab es im Wesentlichen zwei Besonderheiten: Zum Einen herrschte eine meist antizyklonale Strömung in allen Schichten vor, die sich klassischerweise durch den Strömungsdrehsinn eines Hochs (Antizyklone) im Uhrzeigersinn aus dem Hoch heraus in ein Gebiet mit tieferem Luftdruck hinein bewegt. Durch den überlagerten Effekt der Zentrifugalkraft wurde die antizyklonale Strömung zusätzlich beschleunigt (Gradientwind, Supergeostrophie). Etwas vereinfacht lässt sich sagen, dass der Wind bei einem Gradienten X und einer im Uhrzeigersinn drehenden Strömung kräftiger weht als bei selbigem Gradienten X und einer gegen den Uhrzeigersinn drehenden Strömung.

Erst als das Tief im Laufe des 5.11. die Ostsee südostwärts passierte, verstärkte sich der Druckgradient über Mitteleuropa und die Isobarenkrümmung wies vor allem im Nordosten Deutschlands eine leichte Zyklonalität auf, dennoch herrschte weiterhin verbreitet das lineare bis leicht antizyklonale Strömungsfeld vor. Warnrelevante Windböen wurden tagsüber im Warmsektor von CAROLA an der Nord- und Ostseeküste sowie in einigen zentralen und vor allem in den östlichen Mittelgebirgen bis hinein nach Ostösterreich gemessen. Fazit: Die kräftigen Böen wurden in erster Linie durch den kräftigen Druckgradienten verursacht, wobei noch stärkere Böen durch das Regime von Warmluftadvektion und den daraus resultierenden relativ stabilen Verhältnissen verhindert wurden. Die Ausläufer des Tiefs CAROLA führten vor allem im Erzgebirge und im Böhmerwald zu teils länger andauerndem Regen. In den Nordweststaulagen wurden binnen 36 bis 48 Stunden bis zum Abend des 5.11. Niederschlagsmengen von verbreitet 20 bis 30 l/m², Zinnwald-Georgenfeld im Erzgebirge war mit 47 l/m² in diesem Beobachtungszeitraum Spitzenreiter. Zum Höhepunkt des Sturms wurden auch in Ostdeutschland bis in die Tieflagen einzelne warnrelevante Böen registriert. Zum Abend hin erreichte der Sturmhöhepunkt auch Wien, Niederösterreich und die Steiermark mit teils schweren Sturmböen bis in die Tieflagen und Orkanböen in exponierten Gipfelregionen.

Satellitenbild
Satellitenbild mit Frontalzonen und Luftmassenpfeilen
Am 5.11. mittags um 13 Uhr MEZ befand sich das Zentrum des Tiefs CAROLA über dem Norden Polens und seine zugehörigen Ausläufer beeinflussten vor allem das östliche Mitteleuropa mit dichten Wolken, Regenfällen und kräftigem Wind.

Vorhersage
Die Modellprognosen deuteten bereits zu Beginn des Monats für den 4. und 5.11. einen Nordweststurm für Nord- und Ostdeutschland sowie für Niederösterreich an. Auch die eher antizyklonale Isobarenkrümmung wurde frühzeitig berechnet. Drei Tage vor Ereignisbeginn wiesen die Meteorologen der Unwetterzentrale auf die stürmische Entwicklung im Lagebericht hin.

Die Meteorologen der Unwetterzentrale warnten am 4.11. den Osten Deutschlands vor einzelnen Sturmböen bis 80 km/h im Flachland vor, die österreichischen Kollegen warnten Wien und Teile Niederösterreichs für Spitzenböen von etwas über 100 km/h akut rot.

Spitzenböen (ab 90 km/h) - 4.11. 6 Uhr bis 6.11. 7 Uhr
Quellen der Daten: Messnetze MeteoGroup, DWD, Auswahl

  • 126 km/h - Fichtelberg; Sonnblick (A)
  • 109 km/h - Altenberg/Erzgebirge
  • 104 km/h - Brocken; Feuerkogel (A)
  • 102 km/h - Hochwald
  • 100 km/h - Großer Arber, Hiddensee-Dornbusch
  • 96 km/h - Rax Bergstation (A)
  • 94 km/h - Wien Hohe Warte (A), Leiser Berge (A), Aigen/Ennstal (A)
  • 91 km/h - Zinnwald-Georgenfeld; Wien-Unterlaa (A)


Diese Analyse wurde von Manfred Spatzierer und Stefan Laps, Meteorologen der Unwetterzentralen Deutschland und Österreich, im November 2006 erstellt.

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